00Selenskyj

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[12.11.2022]

Liebe Basismenschen, wart Ihr schon im neuesten Bond?
Nein, ich meine nicht den windelweichen Vater-Mutter-Kind-Bond mit Daniel Craig, sondern den topaktuellen super-realistischen Actionkracher, der im Winter angelaufen ist. Den gibt’s noch nicht im Kino, aber seit dem 24. Februar täglich in der Tagesschau. Mit dem brandneuen Hauptdarsteller hat sich auch sonst viel geändert:

Schluss ist nun mit eleganten Maßanzügen, ab jetzt trägt Bond über dem durchtrainierten Oberkörper zu heiß gewaschene T-Shirts in Olivgrün, und die weiblichen Zuschauer erliegen nicht mehr dem antiquierten Machogehabe des Hauptdarstellers, sondern dem bubenhaften Charme eines Proficlowns. War Wolodymyr Selenskyj bis 2019 bei der Besetzung nur dritte Wahl, so hat er sich inzwischen mit uneingeschränkter Medienunterstützung zum Superhelden entwickelt, so dass zahllose Doppel-Nullen aus sämtlichen NATO-Staaten in Kiew Schlange stehen, um vor der Kamera einen kräftigen Händedruck mit dem neuen Helden auszutauschen.

Aber keine Sorge, es gibt wieder zwei Bondgirls wie sie gegensätzlicher und erotischer nicht sein könnten. Den feministischen und anschmiegsamen Part verkörpert die deutsche Nachwuchsdarstellerin Annalena Baerbock, die in diesem Film sogar die undiplomatischsten Sprachstunts selber doubelt. Den androgynen Part übernimmt mit dem ehemaligen Grinsdouble von Blake Carrington die knallharte Amazone Marie-Agnes Strack-Zimmermann in ihrer ersten Textrolle. Bei ihr wird im Laufe des Filmes allerdings immer deutlicher, dass ihre wahre Zuneigung nicht Bond, sondern den skrupellosen Waffenschiebern … – aber ich möchte hier nicht zu viel verraten.

Auch Moneypenny, die Sekretärin mit der Lizenz zum Aktenvernichten, gespielt diesmal durch die stets aristokratische Ursula von der Leyen, kokettiert heimlich mit den Hintermännern Gates und Bourla, während sie doch in früheren Filmen allein Bond leidenschaftlich ergeben war.

Zu seinem 70sten Geburtstag durfte die rüstige Filmlegende aus dem Reiterepos „Der Tiger des Zaren“ noch einmal als Superschurke antreten. Wladimir Putin bleibt vielen neutralen Filmfans mit seiner unterkühlten Mimik jedoch zu un-dämonisch. Nur das Kino- und Medienmagazin „Atlantikbrücke“ schwärmt bei der Präsentation des Streifens besonders von seinen irren und hitlergleichen Charakterzügen.

Kein Bond ohne Action: Hatten sich die Co-Autoren des Blockbusters die obligatorische Verfolgungsjagd diesmal durch ihre elitäre Heimatstadt gewünscht, so konnten sie nicht ahnen, dass der neue Q, blendend besetzt mit Anton Hofreiter, gebetsmühlenartig auf den Einsatz der Bondhaubitze 2000 bestehen würde. So wirkte das Rennen in weiten Teilen sehr schwerfällig und die umfangreichen Verwüstungen in der Altstadt von Davos hatte man sich bei dem eigentlich weit entfernt geplanten Stellvertreterkrieg so nicht vorgestellt.

Für die Spezialeffekte wurde extra ein angloamerikanisches Spezialisten-Team engagiert, das zunächst mit einer gesprengten Krim-Brücke noch etwas “oldschool“ agierte, sich dann aber mit der Szene, in der in der Ostsee ein riesiger Whirlpool entsteht, deutlich steigerte bis hin zu den bedrückenden Massenszenen in einem afrikanische Hungercamp. Der Showdown in der Raffinerie Schwedt, bei dem die letzten Treibstoffreserven Deutschlands in einem gigantischen Feuerball aufgehen, treibt auch dem abgebrühtesten Cineasten den Frost in die Knochen. Das ist Bondaction! So wollen wir traumatisiert werden!

Wieder einmal geht das gute alte Bondrezept zu Bewältigung internationaler Krisen voll auf: Superschurke, Superheld, Superwaffen und Supergau. Das verlangt, wenn die kommende Phase Frieden einmal überwunden sein wird, nach einer noch furchtbareren Neuauflage.