Ungeimpfte unerwünscht

Ungeimpfte unerwünscht – auch in der Stadtbibliothek Essen

[2. Dezember 2021]
Was unterscheidet die Aussage „UNGEIMPFTE UNERWÜNSCHT“ in großen Lettern auf den Schaufensterscheiben eines Gelsenkirchener Einzelhändlers eigentlich von der Aussage „2G – Zugang ausschließlich für vollständig Geimpfte und Genesene“ an der Tür zur Stadtbibliothek Essen – mal abgesehen von der semantischen Nähe des „Ungeimpfte unerwünscht“ zur Aussage „Juden unerwünscht“ aus dunklen Zeiten des vergangenen Jahrhunderts?
Hinsichtlich ihrer unmittelbaren Folgen für die Betroffenen, die hierdurch von relevanten Bereichen des öffentlichen Lebens rigoros ausgeschlossen werden, gar nichts.
Und bevor es gleich einen Aufschrei gibt, weil hier angeblich notwendige Maßnahmen der „Pandemie-Bekämpfung“ in einem Atemzug mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Vergangenheit genannt, ja sogar gleichgesetzt werden: darum geht es hier nicht. Die Gräueltaten der Nazis sind mit nichts zu vergleichen.
Aber: Die Massenvernichtung von Menschen jüdischen Glaubens waren nicht der Anfang, sondern der Schlusspunkt einer längeren verhängnisvollen und entsetzlichen Entwicklung, die in der Ausgrenzung von Jüdinnen und Juden aus dem öffentlichen Leben ihren Anfang nahm.
Dass dies so geschehen konnte, lag auch an den vielen, vielen Menschen, die damals lieber weggesehen, erkanntes Unrecht nicht benannt und sich nicht dagegen eingesetzt haben, weil es sie selbst ja nicht betraf. Und ganz sicher lag es auch an denjenigen, die mit der Begründung „Ich habe ja nur Befehle (Anordnungen, Gesetze) ausgeführt“ mitgemacht haben.

Daher noch einmal die Frage: Was unterscheidet ein „Ungeimpfte unerwünscht“ von einem „Zugang ausschließlich für vollständig Geimpfte und Genesene“??

Während die erstgenannte Aussage auf der Gelsenkirchener Schaufensterscheibe immerhin noch zu großer Entrüstung in den sozialen Medien führte und der Verursacher dieser Aufschrift diese inzwischen entfernt und dafür um Entschuldigung gebeten hat – bleibt dieser Aufschrei bezüglich des Ausschlusses ungeimpfter Menschen von der Nutzung der Stadtbibliothek vollkommen aus.
Mehr noch: Auf telefonische Nachfrage zur 2G-Regelung bekamen wir die Antwort „Wir können da leider nichts machen, das ist uns durch die Landesverordnung so vorgegeben.“

Ist das so? Kann die Leitung der Stadtbibliothek wirklich nichts anderes machen als nicht geimpfte Menschen von der Nutzung der Stadtbibliothek auszusperren?
Ein Blick in die aktuelle Coronaschutzverordnung, gültig seit dem 24.11.2021, zeigt: die Anwendung der 3G-Regel, welche „immunisierten oder getesteten Personen“ die kontaktlose Ausleihe und Rückgabe von Medien in Bibliotheken erlaubt, wäre durchaus möglich (vgl. Coronaschutzverordnung §4 (1) 4).

Auf schriftliche Nachfrage diesbezüglich bei der Stadtbibliotheksleitung ist jedoch zu erfahren, dass diese sich stattdessen lieber auf §4 (2) 1 der Coronaschutzverordnung beruft:
„Basis ist für uns die aktuelle Coronaschutzverordnung §4 (2) 1. Öffentliche Bibliotheken sind dort nicht namentlich genannt, werden von der Landesregierung jedoch hier als „sonstige Kultureinrichtung“ eingeordnet. Für diese gilt die 2G-Regelung. (…) Der Bibliotheksbetrieb mit allen weiteren Angeboten (Sitzplätze, Informationsdienst, Führungen etc.) ist jedoch nicht zulässig, wenn nicht-immunisierte Personen Zugang haben.“

Die Stadtbibliotheksleitung stand also vor der Frage, ob sie sich dafür entscheidet,

  • die „kontaktlose Ausleihe und Rückgabe von Medien“ für alle Bibliotheksmitglieder anzubieten (wenn auch unter 3G-Regelung) –
  • oder aber die 2G-Regelung anzuwenden und damit alle nicht geimpften Bibliotheksmitglieder von der Nutzung auszuschließen, um dadurch den „2G-Mitgliedern“ eine vollumfängliche Nutzung der Bibliotheken zu ermöglichen.

Es hätte also durchaus eine alternative Vorgehensweise gegeben!

Auf unsere Nachfrage, ob denn beabsichtigt sei, eine Möglichkeit zur Vorbestellung und kontaktlosen Abholung für die ausgeschlossenen Nutzer einzurichten – eine Möglichkeit, die während des Lockdowns zumindest in der Zentralstelle angeboten wurde – , war von der Bibliotheksleitung zu erfahren: „Unsere Personalkapazitäten reichen nicht aus, um das Abholfenster parallel zum geöffneten Haus zu betreiben.“ – Unsere Meinung dazu: Wo ein Wille ist, ist (meistens) auch ein Weg!

Gerade vor dem Hintergrund unserer deutschen Vergangenheit sollte sich jeder aufrechte Mensch fragen, inwieweit es angebracht bzw. gerechtfertigt ist, Verordnungen und Befehlen blind zu gehorchen. Die Stadtbibliothek ist eine Bildungseinrichtung und unterliegt daher besonderer Verantwortung. Auch wenn Diskriminierung von „oben“ befohlen wird (und nichts anderes ist die Verhängung der 2G-Regelung): jeder Mensch – und vor allen Dingen jemand, der in leitender Position ist – ist in der Verantwortung, sich damit kritisch auseinanderzusetzen.

In diesem Zusammenhang sei auch das umfangreiche Rechtsgutachten des emeritierten Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Dietrich Murswiek vom Oktober 2021 erwähnt, in dem er die Verfassungswidrigkeit des indirekten COVID-19-Impfzwangs, also der 2G- und auch der 3G-Regelung, ausführlich belegt.

Dass es durchaus auch anders geht, dass man sich nicht blind verfassungswidrigen Verordnungen beugen muss, zeigt eine aktuelle Meldung aus dem Erzbistum Freiburg.
In einer Pressemitteilung von dort heißt es:
„Im Erzbistum Freiburg besteht die Möglichkeit, 2G/3G-Gottesdienste zu feiern grundsätzlich nicht. … Gottesdienste sind Teil der wesentlichen Daseinsvorsorge (wie z.B. auch der Einkauf im Lebensmittelgeschäft). Als solches soll der Zugang für alle Menschen möglich sein – unabhängig davon, ob die Person immunisiert oder getestet ist: Die freie Religionsausübung ist ein besonders geschütztes Recht. Um im Gegenzug dennoch einen möglichst hohen Schutz gewährleisten zu können, gelten entsprechende Einschränkungen: Masketragen und Abstandhalten.“

Unsere Meinung dazu: Auch der freie Zugang zu Bildungsmöglichkeiten ist ein besonders schützenswertes Recht.
Es bleibt zu hoffen, dass viele Verantwortung tragende Menschen das auch so sehen und den Mut haben, sich am Handeln des Erzbistums Freiburg zu orientieren.

Die Direktorin der Stadtbibliothek Essen scheint bisher leider nicht zu diesen Menschen zu gehören. Schade!